La gita a Chiasso

Trent'anni di sconfinamenti culturali tra Svizzera e Italia (1935-1965)

Lettera di Ulrich Leo a Martha Amrein (12 settembre 1946)

Trascrizione della lettera:

Frau Dr. Martha Amrein-Widmer,

Sehr verehrte Frau Amrein-Widmer:

Es ist mir ein ganz merkwürdiges Gefühl, einen persönlichen Brief an Sie zu schicken. Was hat alles geschehen müssen, damit ich, 14 Jahre nachdem ich eine Besprechung Ihres ausserordentlichen Dante-Buches veröffentlichte, nun über beiläufig 6000 Kilometer Entfernung mit Ihnen in direkte Beziehung trete! Und was die Angelegenheit noch eine besondere Schattierung giebt [sic.]: das Exemplar Ihres „Rhythmus als Ausdruck inneres Erlebens D. C.“, das ich damals, 1932, mit Bleistiftnotizen füllte, liegt, während ich dies schreibe, vor mir, als einer der sehr geringen Reste meiner Büchersammlung; es hat mich 1938 nach Venezuela begleitet, und jetzt wieder, 1945, nach dem Norden der Staaten. Auch die Besprechung (im Litte f. germ u. rom. Philol. Von 1934) habe ich noch hier, leider nur in einem letzten Exemplar; sonst hätte ich sie gern beigelegt, als Beweis, wie eindringlich mich damals Ihre ebenso eigenartig und eigenwillig persönliche wie erstaunlich einfühlsame und aufschliessende – im strengsten Wortsinne „feinhörige“ – Interpretation der Dantischen Vers-Sprache beschäftigt hat. Übrigens erinnere ich mich sehr wohl, wie allgemein der Beifall und wie vorbereitet das Verständnis für Ihr wahrhaftig nicht „leichtes“ Buch damals in Deutschland war: ein Beweis für das Hohe geistige Niveau Deutschlands in letzter Jahre der Weltgeschichte, wo wir nocht im europäischen Sinne Deutsche, noch keine „Germanen“ waren!

Inzwischen hat uns meine liebe u. treue Tante Lili des Bois-Reymond Ihnen von meinen hiesigen Nöten erzählt, speziell von dem ? Emigranten-Schicksal eines grösseren Manuskriptes, das mich seinerzeit auf meinen Wanderungen seit 1939 begleitet und das ich so gern zum Druck bringen möchte. Nach Jahren des Wartens hat die fast einzige Stelle die in den Staaten wissenschaftliche Arbeiten ohne Kosten für den Verfasser veröffentlicht, mir meine Arbeit zurückgeschickt mit der Massgabe, sie ins Englische übersetzen zu lassen und ihr dann wieder vorzulegen. Diesen Auftrag auszuführen, fehlt es mir an Geld – mein Gehalt hier reicht grade für das Leben von uns dreien –; ausserdem weiss ich, dass eine Übersetzung ins Englische (die ich selbst nicht machen könnte, sondern nur ein geborener Amerikaner) mein Buch um seinen persönlichen Charakter bringen würde. Dass auch in diesem Lande massgebliche Leute leben, die eine Arbeit wie die meinige in ihrem deutschen Sprachkleide zu würdigen wissen (ich sage dies in aller Bescheidenheit), zeigte und zeigt mir das Interesse des ersten Kenners italiensicher Literatur, der hier noch lebt – er ist leider nicht mehr jung -: J. E. Shaw (Toronto, Canada); Sie kennen zweifellos seinen Namen als Verfasser der wunderschönen feinen „Essays on the Vita Nuova“ (Elliots Monographs No. 25, 1929). Er las mein Manuskript vor einigen Jahren und hat der oben erwähnten Stelle (Mod. Lang. Assot.) eine Analyse u. Empfehlung geschickt, wie ich sie mir eindrücklicher und Verständnisvoller gar nicht wünschen konnte. – Auch ein anderer Amerikaner (Franzose von Herkunft) hat mein Ms. Gelesen und eine Art Voranzeige in seinem Buche „Le Tasse en France“ gegeben (p. 218, note); Chandler E. Beall (?) (sein Buch ist von 1942).

Ich glaube also berechtigt zu sein zu dem Wunsch, dass nicht nur aus persönlichen Gründen mein Ms „Torquato Tasso. Studien zur Vorgeschichte des Secentismo“ in seiner deutschen Sprachform in nicht zu jener Zeit veröffentlicht werden möchte. Und Tante Lili machte mir die Hoffnung, dass Sie, verehrte Frau, dank Ihre Verbindungen in der Schweiz eine solche Veröffentlichung ermöglichen würden. Ich sagte schon, dass ich auf eine für mich kostenlose Veröffentlichung hoffe. Sollte dies aber ganz unmöglich sein, so bitte ich um Benachrichtigung auch in diesem Falle; dann würde ich versuchen, vielleicht hier eine „Scholarship“ („Fellowschip“) zu bekommen, um mit den dadurch erkauften Mitteln beim Druck zu helfen. Das Ms hat etwa 300 Schreibmaschinenseiten Text und etwa 90 (ohne Spatium geschriebene) mit Anmerkungen, 3 grosse Abschnitte: A. „Leben und Angst“. B. „Dichtung und Erschütterung“. C. „Religion und Ruhe“. Würde es Ihnen möglich sein, diesen Brief gütigst bis etwa Ende September zu beantworten? Falls nämlich ein Geldbeitrag von mir nötig sein sollte, so müsste ich diesen bis 15. Oktober 1946 beantragen (bei der Guggenheim Stiftung hin); das ist der letzte Termin. Erfolg natürlich unsicher, und Entscheidung erst ½ Jahr später, besser wäre es, wenn ein Schweizer Verlag grossherzig genug wäre, die Veröff. auf seine Kosten zu wagen! In diesem Falle würde ich selbstverständlich auf jeden materiellen Vorteil aus dem Buche verzichten.

[…]


Tipo di documento: manoscritto
Autore: Ulrich Leo
Destinatario: Martha Amrein
Lingua di pubblicazione: tedesco
Luogo / paese di pubblicazione / produzione: William Penn University, Oskaloosa, Iowa (USA)
Datazione: 12 settembre 1946

Persone menzionate: James Eustace Shaw, Chandler Beall
Archivio: Fondo privato Martha Amrein (Zurigo)
Tipo di supporto: cartaceo

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