Navigation auf uzh.ch
Die Einfachheit des Gegensatzes, in den die deutsche Sprache Schuld und Unschuld zueinander bringt, täuscht über die Komplexität der tatsächlichen Beziehung dieser beiden anthropologischen Grundbegriffe hinweg. So erscheint Unschuld grammatisch als Negation von Schuld, während die christliche Theologie und manche mythischen Erzählungen Unschuld als den ursprünglichen positiven Zustand des Menschen, Schuld als dessen Verlust interpretieren. Wieder anders ist das Verhältnis in der Sphäre des Rechts, wo über Schuld und Unschuld nicht absolut, sondern provisorisch von Fall zu Fall entschieden wird, ohne dass das für unschuldig erkannte Subjekt aufhören würde, dem Recht die Verantwortung über sein Handeln schuldig zu sein. Und schliesslich können beide Begriffe – jener der Schuld etwa in der Ökonomie, jener der Unschuld als Bezeichnung des psychischen Zustands von Kindern oder Geistesschwachen oder als Synonym für sexuelle Unberührtheit – in gewissen Bereichen Bedeutungen annehmen, die sich von der polaren Beziehung zum Gegenbegriff anscheinend ganz abgelöst haben. Seit der Antike stellt die Darstellung und Entfaltung dieser anthropologischen Verhältnisse einen der fruchtbarsten Produktionsgründe der Literatur dar. Das gilt in so ausgeprägtem Mass, dass nicht nur aus der Literatur Grundlegendes über das Verhältnis von Schuld und Unschuld zu erfahren ist, sondern umgekehrt die Frage nach ihnen einen wesentlichen Zugang zur Sonderstellung der Literatur innerhalb der anderen Bereiche der menschlichen Kultur eröffnen kann. Das Seminar möchte dieser doppelten Fragestellung anhand der intensiven Lektüre einer Reihe dramatischer (Sophokles, Antigone; Shakespeare, Othello, Measure for Measure), epischer (Melville, Billy Budd; James, The Turn of the Screw) und lyrischer Texte nachgehen. Teilnahmevoraussetzung: Zu Beginn des Semesters wird die Kenntnis der Tragödie „Antigone“ von Sophokles (in beliebiger Ausgabe und Übersetzung) vorausgesetzt.
Keine Vorbesprechung. Um persönliche Anmeldung beim Dozenten E-Mailwird gebeten.
Wann: Do 14:00 - 15:45, ab 24.02. (1. Semesterwoche)
Wo: PLG-2-211
Lizentiatsstudiengang: Seminar
Modul BA |
316 Aufbauseminar AVL-VS (9 KP (2-sem.), NF 60; NF 30 und NF 45, P) |
Teilfach: Gebiet |
Allgemeine Literaturwissenschaft: Textanalytische und methodologische Fragen der Literatur |
Teilfach: Gebiet: | Vergleichende Literaturwissenschaft (Komparatistik): Transformationsprozesse der Literatur |
Leistungsüber- prüfung (KP) |
Referat (RE) / Schriftliche Arbeit (SA), benotet, Abgabe im
Folgesemester
Die genauen Modalitäten der Leistungsüberprüfung werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben |